Banken im Klimawandel

von Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS-Gemeinschaftsbank

Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft sind sich abstrakt alle einig: Die sich zuspitzende Klimakrise macht eine schnelle Transformation erforderlich. Wir stehen vor einem Kipppunkt: Beim Klima gilt es jetzt sofort Maßnahmen zu treffen, damit es nicht zu einer weiteren Beschleunigung der Klimakatastrophe kommt. Das bedeutet gleichzeitig, die Politik muss die Rahmenbedingungen ändern (CO2-Preis erhöhen), die Wirtschaft in CO2-arme Technologien investieren und die Verbraucher müssen die Konsumgewohnheiten anpassen.

Je später diese Maßnahmen kommen, desto höher sind die Risiken durch ausfallgefährdete Kredite. „Greening the Finance“ ist daher ein großes Thema – allein schon zur Risikovermeidung. Über kurz oder lang müssen alle Banken mehr oder weniger grün werden. Das Beruhigende ist, dass das nicht nur eine Erkenntnis der GLS Bank ist. Dieses Verständnis setzt sich langsam sogar in Deutschland durch. Interessanterweise am konsequentesten bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Die BaFin hat im Dezember ein noch unverbindliches Merkblatt „zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ aufgelegt. Aber jeder Banker weiß, wenn die BaFin unverbindlich eine Empfehlung abgibt, wird dieser nicht gefolgt, entsteht daraus ein Jahr später ein bürokratisches Ungetüm. In dem Merkblatt weist die BaFin die Banken darauf hin, künftig selbst, insbesondere aber auch bei den Kunden, zu ermitteln und festzustellen, wie hoch die physischen Risiken sind. Also zunächst, wie wirkt sich der Klimawandel auf die Kunden aus? Was bedeuten Trockenheit, Stürme, Überschwemmungen für den jeweiligen Kreditnehmer? Dieses Risiko in ihrem Kreditbuch müssen auch Banken zukünftig ermitteln, bemessen und in der Risikosteuerung berücksichtigen. Das bedeutet, verschiedene Szenarien mit Rücklagen und Eigenkapital zu unterlegen. Wie heute jedes andere Risiko auch.

Neben den physischen gilt das ebenso für transitorische Risiken. Zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens werden in den kommenden 10 bis 20 Jahren alle CO2-emittierenden Technologien, Industrieanlagen und Verkehrssysteme durch CO2-neutrale Methoden ersetzt werden. Von der Heizung im Kleinbetrieb bis zur großen Industrieanlage werden die Altanlagen ausgetauscht werden müssen. Denn bei der neuen CO2-minimierten Wirtschaft werden sie zu teuer beziehungsweise unwirtschaftlich und damit zum Risiko. Hier entsteht eine große Chance für die Bankenwelt, denn die Zukunftsinvestitionen sind zu finanzieren.

In anderen Ländern ist der Umgang mit den absehbaren Ausfällen weiter fortgeschritten als bei uns. Die Bank of England wie auch die Niederländische Zentralbank haben bereits einen Stresstest zu Klimarisiken entwickelt. Banken müssen in unterschiedlichen Szenarien darlegen, was für sie passiert, scheitern in der Realwirtschaft Investitionen.

Beim 1. Szenario wird geprüft, was geschieht, wenn jetzt sofort mit Klimaschutzmaßnahmen begonnen wird. Beim 2. Szenario wird untersucht, wie es sich auswirkt, wenn später Maßnahmen ergriffen werden: Naturgemäß sind die physischen und transitorischen Risiken höher, denn die Erderhitzung steigt stärker und es bleibt weniger Zeit zum Umlenken. Im letzten Szenario wird dargestellt, was passiert, wenn keine zusätzlichen Maßnahmen ergriffen werden. Dann überlagern die physischen wahrscheinlich die transitorischen Ausfälle. In diesem Szenario ist es dann egal, ob ein Kohlekraftwerk obsolet wird, weil man es durch regenerative Energien ersetzt, oder ob es wertlos wird, weil es überschwemmt wird oder abbrennt. Auf jeden Fall wird es wertlos sein.

Weitere Regulierungen

Auf EU-Ebene wird das Thema ebenfalls diskutiert, was weitere Regulierungen für alle EU-Staaten erwarten lässt. Künftig werden noch weitgehender Daten erhoben, um festzustellen, wie die jeweilige Klimawirkung von Investitionen ausfällt. Wie stellt man das eigentlich fest? Auch da – interessanterweise – gibt es im Ausland Netzwerke von Banken, die gemeinsam Wege entwickelt haben, ihren CO2-Fußabdruck darzustellen. Das ist zum Beispiel PCAF (Partnership for Carbon Accounting Financials), ein Netzwerk von kleineren und größeren Banken.

Dieses besteht aus einem Who is who der internationalen Bankenszene. Deutsche Banken sind hier allerdings (abgesehen von der GLS Bank und der UmweltBank) nicht vertreten. Das ist symptomatisch dafür, wie wenig der Klimaschutz von der Branche vorangetrieben wird. Selbiges gilt für die Politik. Wir sitzen im Bremserhäuschen, wenn wir so weitermachen, werden wir abgekoppelt. Das ist die reelle Situation. Das bedeutet auch abgekoppelt im internationalen Wettbewerb.

Die GLS Bank hat sich mangels gemeinsamer deutscher Initiativen auf einen eigenen Weg begeben. Die Abmachungen des Pariser Klimaabkommens sind dabei Grundlage. Zunächst wurde das Ermittlungsverfahren von PCAF übernommen und mit dem Wuppertal Institut auf die GLS Bank zugeschnitten verfeinert. Weitere Berechnungen hat dann das Frankfurter Unternehmen Right based on science durchgeführt. Es hat sich darauf spezialisiert, den Beitrag eines Unternehmens oder eines Portfolios zum Klimawandel zu berechnen. Innerhalb des GLS Bank Klimafonds wurde jedes einzelne emittierte Unternehmen geprüft und das Messsystem angewendet. Für den Klimafonds ist dabei eine Kompatibilität mit dem Pariser Klimaabkommen bescheinigt worden. Das Gleiche trifft auf das Kreditportfolio zu. Die Erfassung der notwendigen Daten weitet die GLS Bank weiter sukzessive aus. Was kann man tun, um 1,5-Grad-kompatibel zu werden? Wie muss eine Bank dafür gesteuert werden?

Die wirtschaftliche Grundordnung muss und wird sich durch politische Rahmenbedingungen ändern. Damit diese Transformation stattfinden kann, ist es notwendig, über unsere bestehenden Systeme hinauszudenken. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür sind gegeben. Dafür sorgen Fridays for Future gemeinsam mit Ende Gelände und anderen Bewegungen. Wir müssen uns neue Zukunftsbilder schaffen, die losgelöst von Prägungen aus der Vergangenheit funktionieren. Für die GLS Bank haben wir solche Zukunftsbilder je Branche entworfen und formuliert. Im Bereich Wohnen fragen wir nach Mitbestimmungsrechten von Mietern, fördern soziale Vielfalt und bezahlbaren Wohnraum. So setzen wir Standards für eine verantwortungsvolle Wirtschaft, zeigen Wege des gesellschaftlichen Wandels, ohne dabei Wachstum als einzig relevante Größe zu definieren.

Zusätzlich prüfen wir im gesamten Geschäft, wie die Bank zu einer CO2-armen Wirtschaft beitragen kann. Dabei analysieren wir den CO2-Fußabdruck und messen die Kompatibilität unseres Anlage- und Kreditportfolios mit dem Pariser Klimaabkommen. Das erste Ergebnis: Die Klimawirkung des GLS Bank Klimafonds und des gesamten Kreditportfolios liegt bei deutlich unter 2 Grad. Wenn die Rahmenbedingungen der Politik so gesetzt sind, dass die breite Wirtschaft sich ebenfalls auf zukunftsfähige Technologien und Ideen konzentriert, bieten sich vielversprechende Chancen durch die Implementierung von Klimarisiken als Steuerungsgrößen.

Am Geld scheitert es nicht

Sowohl Banken als auch private und institutionelle Anleger suchen weltweit sinnvolle Investitionen. Am Geld wird die Transformation zu einer CO2-neutralen Wirtschaft nicht scheitern. Das momentan niedrige Zinsniveau ist Ergebnis eines Überangebotes von Geld in den Märkten. Die von der EU geschätzten 260 Mrd. Euro für ihren Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ kommen also zu einem – aus Marktsicht betrachtet – günstigen Zeitpunkt. Aber dafür müssen wir uns konsequent von alten, fossilen und zukunftsgefährdenden Systemen verabschieden. Wohlwissend, dass wir gleichzeitig in diesem System, in unseren Lebensgewohnheiten, in unseren Denkmustern stecken.

Die gesamte Gesellschaft muss sich fragen: Wo und wie möchten wir eigentlich in Zukunft leben? Nur dann können wir einzeln und als Gemeinschaft die richtigen Entscheidungen treffen. Viel Zeit bleibt allerdings nicht mehr.

Börsenzeitung, 21.3.2020