Hannes Jaenicke

Im Einsatz für den Lachs

Lachs schmeckt und ist nahrhaft, für immer mehr Menschen ist dieser Leckerbissen verfügbar geworden. Doch was sind die Folgen? Dass massenhafte Produktion und Konsum die Lebensbedingungen des Fisches fundamental verändern, wird erst klar, wenn sich engagierte Menschen des Themas annehmen. Die Folge: wenn es Fisch und Natur gut gehen soll, dann darf der Mensch nicht alles tun, was ihm gefällt.

ZDF Presse und Information / 12.6.2020

An der Westküste Kanadas lernt Hannes Jaenicke alles über das Leben der gefährdeten wilden Pazifiklachse kennen. Die Wanderfische sind wichtig für das ökologische Gleichgewicht, für mehr als 100 Tierarten wie den Grizzlybär und den Schwertwal sind sie eine wichtige Proteinquelle. Biologin Dr. Alexandra Morton berichtet von einem Virus, das bei den Raubfischen Blutarmut und Leberschäden hervorruft. Die Wildlachse infizieren sich damit auf dem Weg zu ihren Laichplätzen in ihren Heimatflüssen, vorbei an Hunderten von Lachsfarmen, die sich über die gesamte Küstenlinie Vancouver Islands verteilen. In den Netzen der Farmen schwimmen atlantische Zuchtlachse – mit dem bedrohlichen Virus.

Jaenickes nächstes Ziel ist Norwegen. Der Lachs aus deutschen Supermärkten stammt mehrheitlich aus dortiger Aquakultur. Bei einem Zuchtproduzenten erhielt das Kamerateam eine Dreherlaubnis: bei der Brut- und Aufzuchtstation, dem Netzgehege und der Schlachterei. Jaenicke erfährt von typischen Problemen der intensiven Massentierhaltung: Krankheiten brechen aus, Parasiten vermehren sich explosionsartig, Futter und Kotreste verschmutzen die Umwelt. Deshalb formiert sich vor Ort eine Front gegen die Zuchtlachsindustrie. Hannes Jaenicke trifft sich mit Rune Jensen von der Organisation „SalmonCamera“ und Ruben Oddekalv von „Green Warriors of Norway“. Die beiden Umweltschützer sehen in den rund 1000 Lachsfarmen entlang der Fjorde eine enorme Gefahr für Wildlachse und das gesamte Ökosystem.

Hannes Jaenicke zieht nach seinen Recherchen ein deutliches Fazit über die Lachszucht: „In den Farmen leben – das sind ja relativ kleine Gehege – zwischen 250.000 und 500.000 Fische auf allerengstem Raum.“ Wie in Ställen zur Eindämmung oder Vorbeugung von Krankheiten werde Chemie eingesetzt. „Und die essen wir Endverbraucher mit“, macht der Schauspieler klar.  https://www.presseportal.de/pm/7840/4622062

Das Schicksal des Lachses

Hannes Jaenicke im Interview

Teleschau:

In Ihrer neuen Dokumentation über Lachse stellen Sie die Frage: „Warum sind uns Fische so egal?“ Haben Sie eine Antwort darauf gefunden?

Hannes Jaenicke:

Die Welt unter Wasser ist nicht sichtbar. Selbst bei Massentierhaltung an Land wird ja alles getan, damit wir nicht sehen, was tatsächlich abläuft in Hühner – oder Schweinefabriken. Dafür sorgten die großen Fleischproduzenten mit ihren festungsartigen Zuchtfabriken. Unter Wasser sind die Tiere erst recht aus dem Auge aus dem Sinn. Das ist das eine.

Was noch?

In unserer Schulzeit wurde uns im Bio-Unterricht noch beigebracht, Fische hätten kein Schmerzempfinden. Mittlerweile ist die Wissenschaft weiter. Trotzdem glauben immer noch viele Leute: „Der Fisch spürt doch nichts. Dem hau ich auf den Kopf und fertig! “ Auch bei der Überfischung wird kaum thematisiert, wie katastrophal die Lage ist. Deswegen fand ich das Thema der Lachse so spannend.

Was hat Sie bei ihren Recherchen besonders schockiert?

Dass es Flüsse gibt, die vor zehn oder 15 Jahren noch Millionen Lachse hatten, in denen jetzt kein einziger mehr schwimmt. Dass es Grizzlybären gibt, die nur noch aus Fell und Knochen bestehen, weil es keine Lachse mehr gibt. Ganze Orca-Populationen an der Westküste der USA verhungern. Dann ist immer das Argument: Dann züchten wir eben in einer Farm. Genau das ist aber der Fehler.

Weil Farmen letztlich einer der Auslöser der gravierenden Situation sind?

Sobald eine Lachsfarm ins Meer oder in einen Fjord gebaut wird, kollabiert dort das marine Ökosystem. Das ist das, was der Fisch-Liebhaber und wir Otto Normalverbraucher nicht wissen. Das Farmprodukt ist nicht nur für den Konsumenten giftig, sondern auch für die Wildnis. Das ist die Kehrseite unseres Appetits auf Lachs.

„Lachs sollte man einfach gar nicht mehr essen.“

Was würde es bedeuten, wenn der Lachs ausstirbt?

Das ist wie immer, wenn man eine Spezies aus dem Ökosystem herausnimmt: Es kollabiert sukzessive. Jedes Tier, jede Pflanze, selbst jedes Ungeziefer hat eine biologische Funktion. Das gleiche gilt für den Lachs. Wenn er verschwindet, dann sterben Bären, Fischadler und Orcas aus. Wir haben Vertreter von Indianerstämmen in Kanada interviewt, die von einem kulturellen Genozid gesprochen haben, weil der Lachs nicht mehr kommt. Den meisten Menschen scheint es leider egal zu sein, ob Tiere aussterben.

Kann man Lachs noch guten Gewissens essen?

Nein, weder Wild- noch Zuchtlachse. Wenn am ihn aus der Farm isst, unterstützt man Lachsfarmen, die die Umwelt schädigen. Wenn man Wildlachs konsumiert, isst man ein total überfischtes Tier, das es mittlerweile so selten gibt, dass andere Tiere deswegen aussterben. Da reicht nicht einmal mehr die Reduktion des Konsums. Lachs sollte man einfach gar nicht mehr essen.

Sie haben unter anderem in einer Zuchtlachsfarm in Norwegen gedreht. Wie haben Sie die Menschen dort erlebt?

Diese Leute sind der festen Überzeugung, gehirngewaschen wie sie sind, dass es den Wildlachsbestand schont, wenn wir Farmlachs essen. Das ist ein bisschen wie die Leute von Bayer, die so lange Unbedenklichkeitsstudien zum Thema Glyphosat anfertigen lassen und lesen, bis sie glauben, Glyphosat sei ein unbedenkliches Produkt. So ist es auch in der Lachsindustrie.

„Der Mensch ist das dümmste aller Tiere.“

Was ist Ihr dominanter Gedanke während der Drehs Ihrer Dokumentationen?

Dass der Mensch die einzige Spezies ist, die das Nest, in dem sie lebt, zerstört! Der Mensch ist das dümmste aller Tiere, weil kein anderes Lebewesen sein Habitat derart vernichten würde, wie wir das tun. Das zweite, was mich fasziniert: Wir wissen seit etwa 40 bis 50 Jahren, was beim Thema Umweltschutz passieren müsste, aber es passiert genau das Gegenteil. Wir sollten den Wald als CO2-Speicher stehen lassen, wir sollten fossile Brennstoffe nicht mehr verwenden, wir wissen, dass Plastik und Metalle giftiger Müll sind. Wir wissen ja alles, aber tun nichts. Das ist eine merkwürdige Mischung aus Geschichtsamnesie und Lernunfähigkeit.

Sind die Filme für Sie eine Art Therapie?

Wenn ich diese Filme nicht machen könnte, wäre ich sehr viel frustrierter. Wie jeder Journalist kann ich etwas produzieren, das Leute vielleicht zum Nachdenken anregt. Bei den Lachsen war das Traurigste ein kanadischer Indianer-Chef, den wir interviewt haben. Die haben sich 40.000 Jahre von diesem Tier ernährt, jetzt kommen keine Lachse mehr die Flüsse hochgeschwommen, und plötzlich habe alle Indianer Diabetes.

Sind Sie des Kampfes nicht manchmal überdrüssig?

Wenn ich Herrn Trump oder Herrn Bolsonaro in den Nachrichten sehe, wenn ich Minister wie Andreas Scheuer oder Julia Klöckner reden höre, möchte ich am liebsten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen: “Scheiß drauf, bringt eh alles nichts.“ Aber dann gibt es auch das Gegenteil, zum Beispiel Länder wie Costa Rica, Neuseeland, Kalifornien oder Skandinavien. Auch in Deutschland gibt es Politiker und Bewegungen, bei denen man merkt, die haben es verstanden und wollen was bewegen.

Zum Beispiel?

Der Umgang von Markus Söder mit dem Volksbegehren in Bayern zum Thema Insektensterben war ermutigend. Auch der Spagat, den Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg hinkriegt, zwischen einer übermächtigen Autoindustrie und ökologischem Denken. Ich bin immer noch guter Dinge. Es ist nur manchmal frustrierend, weil es so langsam geht. Das Klima-Thema, die Trockenheit, die Tsunamis – diese Probleme werden immer größer.

Sie sind einer der wenigen Prominenten, die sich so nachhaltig für den Tierschutz einsetzen. Wünschen Sie sich, dass noch mehr Prominente ihre Popularität dafür nutzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen?

Ich habe mittlerweile bis zu zehn Anfragen von Umweltgruppen, die Unterstützung brauchen. Ich wünschte, wir wären in den USA, wo es gang und gäbe ist, dass sich Leute engagieren – von Leonardo diCaprio über Robert Redford und Joaquin Phoenix bis George Clooney und Brad Pitt. Die Prominenten sind dort total präsent, was Umweltschutz betrifft. Bei uns ist das ein bisschen schüchterner. Ich würde mich freuen, wenn es ein paar mehr Mitstreiter gäbe. Manchmal wächst mir das über den Kopf.

15. Juni 2020 / www.teleschau.de