Effizienzrevolution

Die Milchmaschine

Warum stehen heute viele Landwirte vor dem Ruin? Und warum leben die Hochleistungskühe von heute nicht mehr lange? „Die vermeintliche Effizienz ihrer Höfe hat die Bauern nicht reicher gemacht. Im Gegenteil, sie hat zu einer absurden Lage geführt: Die Hochleistungskühe geben so viel Milch, dass sie davon krank werden. Mehr Milch als je zuvor.“

von Tanja Busse / Die ZEIT, 2016

Warum stehen heute viele Landwirte vor dem Ruin? Und warum leben die Hochleistungskühe von heute nicht mehr lange?
„Mein Vater hatte seinen Bauernhof so geführt, wie es damals üblich war. Im Winter standen die Kühe im Stall, den Sommer verbrachten sie auf der Weide. Jeden Morgen und jeden Abend fuhr mein Vater mit dem Trecker die zwei Kilometer zu ihnen hinüber. Die Kühe trotteten zum Futterwagen, und während sie das geschrotete Getreide fraßen, das von unseren eigenen Feldern stammte, schloss mein Vater eine Vakuumpumpe an die Zapfwelle des Treckers an, die für Unterdruck in den drei Melkgeschirren sorgte. Viel Aufwand für ein paar Liter Milch. Ließ sich das nicht rentabler gestalten?“
Heute wird das gemacht. Die ca. 200 Milchkühe werden in einer Art begehbarer Maschine, einem „20er swing-over side-by-side Melkstand“ gemolken, in den 20 Kühe gleichzeitig hineinpassen, mit Chip am Halsband und von computergesteuerten Futterautomaten während des Melkens versorgt.
„Milchkühe können bis zu 20 Jahre alt werden. Die typische deutsche Hochleistungskuh stirbt jung. Sie wird gerade mal zwei oder drei Jahre gemolken und dann geschlachtet. Meistens, weil sie krank ist. Die Tiere leiden an Euter- und Klauenentzündungen, an Stoffwechselkrankheiten und Fruchtbarkeitsstörungen: Es ist schlicht die Strapaze. Die Tiere sind dem Leistungsdruck nicht gewachsen.“
Die Folgen der Effizienzrevolution: „Die vermeintliche Effizienz ihrer Höfe hat die Bauern nicht reicher gemacht. Im Gegenteil, sie hat zu einer absurden Lage geführt: Die Hochleistungskühe geben so viel Milch, dass sie davon krank werden. Mehr Milch als je zuvor.“

Und der Marktmechanismus sorgt für die fallenden Preise. „Also passiert das, was immer passiert, wenn auf einem freien Markt das Angebot größer ist als die Nachfrage: Die Preise fallen. Und fallen. Und fallen. Und die Bauern, die ja nicht einfach aufhören können zu melken, denn die Kühe sind ja da, die Euter sind ja voll, verdienen mit ihrer Milch kein Geld mehr. Im Gegenteil, die Produktionskosten sind längst höher als die Erlöse. Ein durchschnittlicher Bauer macht mit jedem Liter Milch, den ihm seine Kühe liefern, mehr als zehn Cent Verlust. Die Bauern verlieren also jeden Tag Geld. Dabei müssen sie den Banken eigentlich dringend Geld zurückzahlen.“
„Der niedrige Milchpreis aber geht nicht von allein vorüber. Er entspringt keiner kurzzeitigen Krise. Sondern einem kranken System, das permanente Produktionssteigerungen mit Wohlstand gleichsetzt.“
Wie kann dieses System geändert werden?

aus: Tanja Busse: Die Milchmaschine, ZEIT-Online vom 30.6.2016 / Verfügbar unter https://www.zeit.de/2016/26/landwirtschaft-milchbauern-kuehe-produktion (Paywall) / Textauszug jk