Plastik ade
Wege aus dem Kunststoff-Wahnsinn
Plastikflaschen, in Plastik verpackte Lebensmittel, Lieferung von Speisen in Plastik. Pro Kopf entstehen in Deutschland pro Jahr durchschnittlich 38 Kilogramm Verpackungsmüll aus Plastik.
ZDF / 2021
Corona verschärft den Trend zu mehr Kunststoffmüll noch. Recycelt werden von all diesen Abfällen nicht einmal 20 Prozent. Rund zwei Drittel werden einfach verbrannt, der Rest ins Ausland exportiert. Doch es gibt Wege aus der Kunststoff-Falle.
In der Schweiz hat Marketing-Expertin Jeannette Morath acht Jahre lang an ihrer Lösung getüftelt: Mehrweg- statt Einwegverpackungen – und zwar für Take-away-Speisen. reCIRCLE heißt das erste überregionale Mehrwegsystem für Lieferdienste. „Wir wollen, dass Mehrweggeschirr zur Selbstverständlichkeit wird“, sagt sie. Mehr als 1200 Restaurants sind bereits auf ihre Behälter umgestiegen. Jetzt startet das System auch in Deutschland durch.
Von Stuttgart aus will Thorben Bechtholdt deutsche Liefer-Restaurants von den Vorzügen des Pfandgeschirrs überzeugen: Für zehn Euro Pfand können Kunden die Schüsseln bei jedem teilnehmenden Restaurant zurückgeben oder eintauschen. Die reCIRCLE-Boxen bestehen aus recycelbarem Plastik und lassen sich 200 bis 300-mal wiederverwenden. Schon nach 20-mal Spülen haben sie eine bessere Ökobilanz als ein Einwegbehälter. Das Potenzial ist gewaltig: Pro Jahr kommen allein in Deutschland rund 280 000 Tonnen an Take-away-Müll zusammen.
Ein Hamburger Start-up hat dem „wilden Plastik“ den Kampf angesagt. Das entsteht, wenn Kunststoffmüll nicht ordentlich entsorgt wird, sondern einfach in der Natur rumliegt. „Wir räumen so die Umwelt auf“, sagt Mitgründer Christian Sigmund. In Ländern ohne funktionierende Müllentsorgung, wie Indien oder Haiti, arbeitet das Unternehmen mit Initiativen zusammen, die solche Plastikabfälle einsammeln. Per Container wird dieser Müll nach Europa verschifft, bei Spezialfirmen gereinigt und zu Granulat geschmolzen. Daraus macht Wildplastic schließlich in Deutschland sogenannte Wild-Bags: Mülltüten, gefertigt aus wildem Plastikmüll. Sie sind recycelbar und haben trotz des aufwendigen Verfahrens einen geringeren CO2-Fußabdruck als Beutel aus Neu-Plastik.
In Börnsen bei Hamburg gehen drei Industriedesigner*innen das Problem von einer anderen Seite an. Katja und Sven Seevers wollen zusammen mit Hannes Füting das größte Problem von Plastik beseitigen: Es zerfällt praktisch nicht und verpestet deshalb dauerhaft die Umwelt. Auf der Suche nach einer Alternative stießen die Gründer*innen der Firma Superseven auf ein Rezept aus der Vergangenheit. Schon im 19. Jahrhundert wurde der Kunststoff Zelluloid aus dem pflanzlichen Stoff Zellulose hergestellt. Auf dieser Grundlage entwickelten die drei Unternehmer*innen eine erdölfreie und deshalb kompostierbare Folienverpackung namens Repaq. Damit lassen sich Salate, Käsestücke und Schokoriegel ein- und mit gutem Gewissen auch wieder auspacken, sofern man einen Komposthaufen zur Verfügung hat. Und selbst wenn die Verpackung doch in der Verbrennungsanlage landet, verbrennt sie immerhin schadstofffrei und CO2-neutral.
aus: zdf.de / Gesellschaft / plan b / Plastik ade
Video (30 min) vom 15.4.2021, verfügbar bis 05.04.2023 unter https://www.zdf.de/gesellschaft/plan-b/plan-b-plastik-ade-100.html