Wolfram Henn und Uwe Janssens
Wer Nein zur Spritze sagt, soll sich hinten anstellen, fordern manche – im Restaurant, im Kino, vielleicht sogar auf der Intensivstation. Hier streiten der Medizinethiker Wolfram Henn und der Intensivmediziner Uwe Janssens darüber, wie radikal man Impfverweigerern begegnen darf Arial)
Interview: Evelyn Finger und Charlotte Parnack
6. Januar 2021
DIE ZEIT: Herr Henn, Sie haben kurz vor Weihnachten per offenem Brief in der Bild-Zeitung einen provokativen Vorschlag gemacht: Impfverweigerer sollten im Falle einer Überforderung der deutschen Intensivstationen auf eine Behandlung verzichten.
Wolfram Henn ist Mitglied des Deutschen Ethikrats, Humangenetiker und Medizinethiker an der Universität des Saarlandes.
Uwe Janssens: Na ja, der letzte Absatz Ihres Textes war schon recht pointiert.
ZEIT: Der offene Brief endet mit dem Absatz: „Wer dennoch partout das Impfen verweigern will, der sollte bitte schön auch ständig ein Dokument bei sich tragen mit der Aufschrift: ‚Ich will nicht geimpft werden, ich will den Schutz vor der Krankheit anderen überlassen, ich will, wenn ich krank werde, mein Intensivbett und mein Beatmungsgerät anderen überlassen‘.“
Henn: Richtig. Aber diese drei Sätze, in denen jeweils das Wort „will“ und nicht „muss“ vorkommt, sollten nur besagen: Leute, denkt eure Impfskepsis zu Ende – und setzt dann auch eine entsprechende Patientenverfügung auf, die euch selbst die Konsequenzen vor Augen führt. Das Ganze war drastisch überspitzt, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Aber es ist doch klar, dass niemand unter Atemnot auf eine Beatmung verzichten würde – egal was für einen Zettel er in der Tasche hätte.